Seit dem 13. März ist die Miniserie Adolescence auf Netflix verfügbar – und Nicci hat sie in einem Rutsch durchgeschaut. Die Thematik hat sie nicht losgelassen, und jetzt teilt sie ein paar spannende Fakten und Details zur Serie mit euch.
CW: Mord, Femizid, toxische Männlichkeit, Misogynie
In Adolescence (auf Deutsch: Jugend/Pubertät) geht es um den 13-jährigen Jamie Miller, der eines Femizids an einer Mitschülerin beschuldigt wird. In den insgesamt vier Folgen, die jeweils zwischen 50 und 65 Minuten lang sind, bekommen die Zuschauenden Einblick in die Ermittlungen, die psychologischen Gespräche und das Leben der Familie Miller, das sich schlagartig komplett verändert.
Das zentrale Thema der Miniserie ist die zunehmende Misogynie und die Verbreitung eines toxisch-männlichen Weltbilds, dem selbst Kinder und Jugendliche durch Medien und Peer-Groups nicht entkommen. In Zeiten von Andrew Tate, MontanaBlack und anderen Vertretern eines fragwürdigen Frauenbildes bekommen junge Menschen täglich serviert, was es in den Augen toxischer Ideologien bedeutet, „männlich“ zu sein – und wofür Mädchen und Frauen angeblich existieren.
Der verstörende Inhalt regt die Zuschauenden dazu an, sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Was wäre, wenn mein eigener Sohn ein Mädchen tötet – nur weil sie ein Mädchen ist? Wie gehe ich als Mann selbst mit Frauen um? Wie können solche Taten verhindert werden? Was passiert mit jungen Männern in unserer Gesellschaft? Was geben Eltern ihren Kindern diesbezüglich mit – und reicht das aus?
Nachfolgend fassen wir den Inhalt von Adolescence anhand spannender Details zusammen und erklären, was es mit der „80/20“-Theorie auf sich hat und welche Rolle Incels in der Geschichte spielen.
Achtung: Die folgenden Absätze enthalten Spoiler zur Serie. Bedenkt, dass wir keine psychologische Ausbildung haben und die Einordnungen auf eigenen Erfahrungen und Einschätzungen basieren.
Die 80/20-Theorie und Incels
Der Begriff Incel steht für „involuntary celibate“ (unfreiwillig zölibatär) und beschreibt Männer, die unfreiwillig keine romantischen oder sexuellen Beziehungen haben. „Incel“ wird häufig im Social-Media-Bereich genutzt, um Männer zu beschreiben, die eine misogyne Weltanschauung vertreten – etwa Andrew Tate. Viele Incels glauben, dass Frauen sie systematisch ignorieren oder ablehnen, weil sie nicht attraktiv genug seien. Dabei sehen sie sich selbst als Opfer eines „ungerechten“ Dating-Marktes.
Die in Adolescence erwähnte 80/20-Regel basiert offenbar auf einer Fehlinterpretation des Pareto-Prinzips. Dieses besagt, dass 80 % der Ergebnisse aus 20 % der Ursachen stammen. In der frustrierten Incels-Community wird dieses Prinzip auf das Dating-Leben übertragen, um Frauen die Schuld für ihre Misserfolge zu geben. Die Annahme: 80 % der Frauen interessieren sich nur für die attraktivsten 20 % der Männer. Die restlichen 80 % gehen also ihrer Meinung nach „leer aus“. Diese Vorstellung führt bei vielen Incels zu einem tiefen Groll gegen Frauen und kann toxische Denkweisen sowie gewaltbereite Ideologien fördern.
Fehlende Medienkompetenz
Die Eltern sind die wichtigste Sozialisationsinstanz für Kinder. Sie prägen ihre Werte, Moralvorstellungen und Interessen maßgeblich – aber nicht für immer.
Sozialisationsträger, oder auch Sozialisationsinstanzen, sind..
Sozialisationsträger, oder auch Sozialisationsinstanzen, sind alle Bereiche der Umwelt, die einen Menschen im Laufe seines Lebens beeinflussen. Zum Beispiel ist in den ersten Lebensjahren der Kindergarten eine wichtige Sozialisationsinstanz. Später wird sie von der Schule abgelöst und irgendwann vom Beruf. Doch es gibt noch mehr Sozialisationsinstanzen: Dazu zählen Sportvereine, Religion, politische Systeme, Familie, Fernseher, Social Media, Zeitung und viele mehr.
Die erste, primäre Sozialisationsphase läuft in der frühen Kindheit ab. Hier werden dem Kind die wichtigsten Grundlagen für das Zusammenleben in der Gesellschaft beigebracht. Die wichtigste Sozialisationsinstanz ist hier die Familie.
Die sekundäre Sozialisationsphase beginnt, wenn alle Grundlagen gelegt wurden. Dann lernt das Kind, sein eigenes Leben zu leben und sich Aufgaben selbst zu stellen. Es wird nicht mehr primär durch die Familie beeinflusst, sondern vielmehr vom Kindergarten, der Schule, Sportvereinen und Freundesgruppen.
Quelle: studyflix.de
In der Pubertät übernimmt die Peer Group, also der Freundeskreis, diese Rolle und beeinflusst Kinder enorm. Doch nicht nur die realen Freunde aus Schule, Sportverein oder Gaming-Sessions spielen hier eine entscheidende Rolle – auch die Medien tun es. In Adolescence sieht man eine Szene, in der Jamies Vater durch sein Handy scrollt, auf der Suche nach Fitness-Content. Kurz darauf wird ihm sexistischer, frauenfeindlicher Content vorgeschlagen. Er kann darüber hinwegscrollen und es für sich einordnen – reflektiert das aber nicht weiter. Kinder und Jugendliche hingegen haben diese Fähigkeit oft nicht. Sie konsumieren problematischen Content und werden immer tiefer in toxische Online-Bubbles gezogen.
Genau das passiert in Adolescence. Jamie folgt verschiedenen Frauen auf Instagram, kommentiert ihre Beiträge und postet selbst Fotos mit seinen Kumpels – obwohl er sich laut eigener Aussage hässlich findet. Nach einem Vorfall hagelt es Kommentare, die ihn als Incel bezeichnen. Doch anstatt mit jemandem darüber zu sprechen, der ihm helfen könnte, verarbeitet er das allein und entwickelt einen immer größeren Hass auf Frauen – als Reaktion auf die Ablehnung, die er erfährt. Sein Selbstwert ist aufgrund des Verhaltens seines Vaters ohnehin angeknackst.
Männer sind cool und stark, Frauen können.. kochen
In Adolescence geht es um ein Mädchen, das ermordet wird, weil sie ein Mädchen ist, das einen Jungen ablehnt. Ihr Charakter wird nur am Rande behandelt – der Fokus liegt fast ausschließlich auf dem Täter, auf Männern. Die Frauen in der Serie sind irgendwie nur da. Das wird auch in einem Gespräch zwischen der Polizistin und einem Kollegen thematisiert, als sie sagt, dass sie es stört, dass immer der Täter im Mittelpunkt steht, aber nie das Opfer. Wir erfahren kaum etwas über das Mädchen, ihre Familie oder ihr Leben.
Andere Details zu den Frauen in der Serie:
- Jamies Mutter kümmert sich um ihre Kinder, kennt ihre Allergien, Ängste und Sorgen. Trotz all dem ist es der Vater, der immer an seiner Seite steht und von ihm regelrecht „vergöttert“ wird. In einer Szene fragt die Mutter, warum Jamie sich eigentlich für seinen Vater entschieden hat.
- Wenn es darum geht, die Familienmitglieder zu beschreiben, nennt Jamie bei den Männern (Vater, Opa), dass sie gerne Sport schauen. Der Vater sei zudem oft wütend und habe mal einen Schuppen zerstört. Was die Frauen betrifft, erklärt er, dass seine Oma sich um die Kinder kümmert, wenn die Eltern arbeiten. Und seine Mutter sei gut im Bratenkochen.
- Jamies Mutter und seine Schwester bewegen sich im Umgang mit seinem Vater wie auf Eierschalen, immer darauf bedacht, ihn nicht zu sehr zu stressen und es ihm so einfach wie möglich zu machen, obwohl sie selbst darunter leiden.
- Zusätzlich äußert Jamies Mutter gegenüber ihrer Tochter, dass sie hofft, dass ihr Freund sich „um sie kümmert“, als ob das die Aufgabe eines festen Freundes für eine junge Frau wäre.
- Die Psychologin wird von Jamie als anstrengend empfunden; er unterstellt ihr, ihn austricksen zu wollen. Davor war ein männlicher Psychologe da, der freundlich und unkompliziert war. Zwischendurch flirtet Jamie mit ihr, ist überfreundlich, in anderen Momenten versucht er, sie durch seine Aussagen, Mimik und Körpersprache zu dominieren.
Besonders die Gespräche zwischen Jamie und seiner Psychologin sind mir im Gedächtnis geblieben – vielleicht, weil ich aus eigener Erfahrung einen ähnlichen Zugang dazu habe. Ich habe viele Jahre in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet – zwar nicht als Psychologin, sondern als Erzieherin. Daher sind mir solche Gespräche nicht fremd, auch wenn sie in meinem Fall nicht in diesem Ausmaß stattgefunden haben und es nicht um Femizide ging.
Aber die Aspekte der toxischen Männlichkeit, des Dominierens, des Machthabens waren auch bei uns oft Thema. Selbst manche 10- bis 13-jährige Jungen haben schon die Erwartung, dass Mädchen und Frauen nur dazu da sind, sie zu umsorgen, ihren Alltag zu erleichtern und sexuell verfügbar zu sein. Und dann gibt es etliche junge Jungs, die auf die Frage, was ihre Eltern so machen, ganz verwundert antworten: „Papa arbeitet und Mama ist Hausfrau – ist doch normal, oder?“
Basiert Adolescence auf einem wahren Fall?
Stephen Graham, der auch als einer der Drehbuchautoren von Adolescence fungiert, spielt in der Miniserie die Rolle des Eddie Miller, des Vaters von Jamie. In einem Interview mit Tudum (via netflix.com) erklärt Graham, dass die Geschichte nicht direkt auf realen Ereignissen oder Personen basiert, aber er sich von Berichten über Jungs inspirieren ließ, die in Messerverbrechen verwickelt waren:
Es gab einen Fall, bei dem ein Junge angeblich ein Mädchen erstochen hat. Das hat mich erschüttert. Ich dachte: Was ist hier los? Warum bringt ein Junge ein Mädchen um? Und dann geschah es wieder. Und wieder. Ich wollte einfach Licht auf dieses Thema werfen und fragen: Warum passiert das Heute? Was läuft falsch in unserer Gesellschaft?
Wir begannen, uns selbst als Männer, Väter, Partner und Freunde zu hinterfragen. Das war eine Reise, die ich als Autor noch nie gemacht hatte – sie machte mir Angst, aber auch große Lust, weil ich wusste, dass wir etwas Wichtiges zu sagen hatten.
Interessant ist auch, dass Adolescence in einer ungeschnittenen Aufnahme gedreht wurde. „Man drückt einmal auf Aufnahme und eine Stunde später auf Stopp“, erklärt Regisseur Philip Barantini gegenüber Tudum. „Es gibt keine Schnitte, keine Bearbeitung. Sobald der Dreh beginnt, gibt es kein Zurück.“
Diese ungeschnittene Herangehensweise sorgt für eine besonders authentische Atmosphäre und intensiviert die Wirkung der Serie. Mehr dazu seht ihr in dem Making-Of-Video:
Quellen: Netflix Tudum, scaryzaramary (Instagram), Wikipedia
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